Donnerstag, 10. September 2015

Flüchtlinge orientieren sich mit Handy, Facebook... GPS (dpa)


Flüchtlinge orientieren sich mit Handy, Facebook und GPS.
© picture alliance / dpa

"Seelenfänger" verteilen Hygieneartikel, Äpfel, Brot und Käse.


 Aktualisiert am 10. September 2015, 11:03 Uhr


Budapest (dpa) - In früheren Zeiten mussten Flüchtlinge nach dem Weg fragen, auf den Kompass schauen oder sich an der Sonne orientieren. Der moderne Flüchtling fragt dagegen: "Wo gibt's hier Sim-Karten?".

Selbst die Ärmsten der Armen haben auf ihrem beschwerlichen Weg nach Westeuropa alle ein Smartphone und einen Zusatz-Akku dabei. 
Allerdings benutzen viele von ihnen preiswerte Geräte, die von den Herstellern als abgespeckte Version speziell für den arabischen Markt entwickelt wurden. Für die gefährliche Überfahrt von der Türkei nach Griechenland wickeln die Flüchtlinge das Telefon oft in Plastikfolie ein - für den Fall, dass ihr Schlauchboot kentern sollte...
Mit der kostenlosen Kartensoftware und der Ortung per GPS finden die Asylbewerber den Weg nach Deutschland. Über geschlossene Facebook- und WhatsApp-Gruppen stellen die Flüchtlinge den Kontakt zu lokalen Menschenschmugglern her, die sie für viel Geld mit Lastwagen, Booten oder zu Fuß über die nächste Grenze bringen.

Außerdem verfolgen sie per Smartphone die Nachrichten. Wo ist ein Schlupfloch geschlossen worden? Wo ist das Risiko am größten, von der ungarischen Polizei geschnappt und registriert zu werden? Einige syrische Flüchtlinge haben auch die App "Gherbetna" (Unser Heimweh) heruntergeladen, die ihnen nicht nur praktische Informationen liefert, sondern auch die Möglichkeit bietet, andere Flüchtlinge zu orten, die sich in der näheren Umgebung befinden.

"Wir haben in jedem Land etwa 20 Euro für eine Prepaid-Karte ausgegeben", sagt Maao. Die Karte, mit der man im Internet surfen und telefonieren kann, ist ihm so wichtig, dass er erst einmal zu einem Handyladen läuft - noch bevor er sich einen Fahrschein für den Zug zur österreichischen Grenze kauft.

Ohne Handy geht nichts

Wie wichtig Handys und Internet für die Flüchtlinge sind, haben auch ungarische Helfer erkannt. In Budapest hat eine Gruppe von Greenpeace-Aktivisten das "Refugees Internet" eingerichtet. "Information und die Kommunikation mit Freunden und Verwandten sind für die Menschen hier am allerwichtigsten", sagt Flora Hevesi, Sprecherin von Greenpeace Ungarn. In kürzester Zeit haben hier über 100 Flüchtlinge ihre Handys aufgeladen oder das Internet benutzt. 

Vor dem Ostbahnhof haben sich derweil Seelenfänger eingefunden, die meinen, dass GPS alleine nicht genügend Orientierung bietet im Leben. Angehörige einer christlichen Sekte verteilen Broschüren mit Bibelzitaten in englischer und arabischer Sprache. Keine zehn Meter weiter steht eine Gruppe älterer Araber mit beigefarbenen Westen. Darauf steht "Die islamische Bewegung". Die bärtigen Männer sind freundlich. Sie verteilen Hygieneartikel, Äpfel, Brot und Käse. Nur wenn man fragt, wer für die Hilfsgüter gezahlt hat, werden sie plötzlich sehr zugeknöpft. © dpa
http://web.de/magazine/politik/fluechtlingskrise-in-europa/fluechtling-20-orientiert-via-facebook-gps-30907392

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