Mittwoch, 3. Dezember 2014

Rickling hat ein Helfernetzwerk für Flüchtlinge geknüpft

So geht Willkommenskultur: Ein Team aus Ehrenamtlichen hat sich zusammengefunden, um Asylbewerber zu begrüßen und ihnen im Alltag zu helfen.

03.12.2014 22:15 Uhr



Dr. Anne Engelhard (Mitte) hat zu Beginn des Jahres den Flüchtlingshelferkreis in Rickling gegründet. Sie begrüßt alle neuen Flüchtlinge im Ort persönlich. Zusammen mit Helga und Peter Sutter und Übersetzer Ward (3.v.r.) helfen sie diesen beiden syrischen Familien, sich einzuleben.

Rickling. Blumen dürfen für Dr. Anne Engelhard nicht fehlen auf der Kaffeetafel. Die kleinen Töpfe gehen an diesem Tag beinah unter auf dem langem Tisch im Fehrenböteler Dorfhaus.

Alle Plätze sind besetzt. Einmal im Monat lädt Engelhard die Flüchtlinge aus der näheren Umgebung und ihr Helfernetzwerk zum Plauschen und Kontakte knüpfen ein. Es gibt selbstgebackenen Kuchen, ein Dutzend Kinder tobt durch den Raum.

Am Kopfende sitzt Engelhard inmitten zweier syrischer Familien. Sie sind neu im Ort, Engelhard hat sie bei der Ankunft willkommen geheißen. Das macht die Ärztin im Ruhestand mit jedem neuen Asylbewerber in Rickling. Ehrenamtlich. „Wir fahren dann erst mal einkaufen, die Flüchtlinge haben hier ja nichts und sind zunächst geschockt, dass es hier keinen Supermarkt gibt.“ Dann wird geguckt, was die Familie noch braucht. Oft fehle es an Bettwäsche und Handtüchern. Auch um die Anmeldung der Kinder in Kita und Grundschule kümmert sie sich. „Das dauert sonst alles zu lange“, sagt Engelhard.

Nun sitzen alle beisammen und versuchen zu klären, wie die siebenjährige Baarah jeden Tag aus Fehrenbötel zur Schule kommt. „Kann sie Fahrrad fahren?“, lässt Engelhard über einen befreundeten Syrer aus Trappenkamp übersetzen. Noch nicht. „Das muss sie lernen, das wird vieles erleichtern“, sagt die Initiatorin des Ricklinger Helferkreises.

Im Januar startete Engelhard einen Helferaufruf im Mitteilungsblatt „Land und Leute“. „Am Anfang ging es um Sprachpartnerschaften“, erklärt sie, doch schnell sei klar geworden, dass das nicht reiche.

Die Flüchtlinge bräuchten Begleitung zu Behörden, zum Arzt, Hilfe beim Entziffern des Busfahrplans. Inzwischen sei sie jeden Tag vier bis fünf Stunden mit der Hilfe für die etwa 30 Asylbewerber in der näheren Umgebung beschäftigt. Doch Engelhard hat Unterstützung von fünf bis sechs festen Ehrenamtlichen und etwa noch einmal so vielen, die sporadisch einspringen, zum Beispiel beim Umzug mit anpacken.

Traute Behncke ist eine der festen Kräfte. Die 65-Jährige bietet zwei Mal in der Woche Deutschunterricht an. Sie ist keine Pädagogin. „Ich mach‘ das, wie ich denke“, sagt sie. Die ersten Stunden in den Räumen der VHS gab sie mit Hilfe eines Wimmelbuches. Inzwischen hat das Netzwerk einige Spenden bekommen und konnte ein paar Lehrbücher anschaffen. Ihre „Schüler“ beschäftigen sich derzeit mit Artikeln und Possessivpronomen. Eine davon ist Mehrnoosh aus dem Iran. Sie kommt regelmäßig zum Unterricht, aber deutsche Sätze zu bilden, fällt ihr sehr schwer. Die Kinder hängen ihre Eltern binnen weniger Monate sprachlich ab.

Auch der kleine Agri muss für seine Mutter Afsaneh übersetzen, wenn es komplexer wird. Doch auch die Kurdin macht Fortschritte. Einmal pro Woche trifft sie sich mit Barbara Wehner vom Helfernetzwerk.

Was ihr diese Treffen bedeuten, dafür braucht es keine Worte. Afsaneh breitet die Arme aus. „So viel.“ Doch auch für die 59-Jährige aus Gönnebek ist die Beziehung inzwischen mehr als eine Patenschaft. „Ich würde es eher eine Freundschaft nennen.“

So geben die Helfer in Rickling den Flüchtlingen mehr als nur Orientierung. Auch Katarina Sparr möchte helfen. Die Krankenschwester ist neu beim Treffen und kann gut nachvollziehen, wie es sich anfühlt, „heimatlos und entwurzelt“ zu sein. „Auch ich war in einem Flüchtlingscamp“, sagt die 42-Jährige. In Friedland. Vor 26 Jahren sei sie als Spätaussiedler illegal aus Polen ausgereist. Mit nur einer Tasche. „Die erste Zeit ist für mich ganz schlimm gewesen, ich hatte keine sozialen Kontakte und konnte die Sprache nicht.“ Sie wisse, wie schwierig es ist, Deutsch zu lernen, ihre Mutter habe heute noch Probleme mit der Grammatik. Nun will Sparr anderen helfen, denn „ich hätte mich gefreut, wenn es damals so etwas für mich gegeben hätte“.

„Am Anfang ging es um Sprachpartnerschaften. Das hat sich dann immer weiterentwickelt.“
Dr. Anne Engelhard, Initiatorin

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