Freitag, 27. März 2015

Tiefe Betroffenheit über Film: "Persona non data"



Von Patricia König



Abdulla Mehmud und Heide Sanati erzählen im Film über ihr Schicksal und standen dem Publikum für Fragen zur Verfügung. Foto pks



Boostedt. Bedrücktes Schweigen herrschte bei den rund 90 Zuschauern im Hof Lübbe. Die Boostedter Bürger hatten gerade den Film von Dorothea Carl „Persona non data“ gesehen, in dem 14 Flüchtlinge eindrucksvoll über ihre Flucht aus der Heimat und ihr weiteres Schicksal in Deutschland erzählen. Mit im Plenum saßen am Mittwochabend zwei der ehemaligen Flüchtlinge, die schon vor über 30 Jahren auf Irrwegen nach Deutschland gekommen waren: Die Perserin Heide Sanati floh vor dem Schah-Regime und vor ihrem Mann aus der Heimat, der Iraner Abdulla Mehmud flüchtete nach einem Giftgasangriff vor den Truppen Saddam Husseins.

„Im April kommen die ersten Flüchtlinge in der neuen Ayslunterkunft des Landes in Boostedt an“, begann Birgit Vonderschmitt von der SPD-Fraktion in der Boostedter Gemeindevertretung die Begrüßung: „Heute Abend sollen die Schutzsuchenden selber zu Wort kommen.“ Vonderschmitt hatte zusammen mit Stefanie Strohkirch (CDU) und Carmen Eitner (FWB) zu der Veranstaltung eingeladen.

Die folgenden anderthalb Stunden hatten es in sich. Der Film erzählt nicht nur von den dramatischen Gründen der Flucht zu Fuß, mit dem Boot oder im Lkw-Frachtraum vor einem totalitären Regime, sondern auch von Folter, Vergewaltigung, Krieg und Verfolgung. Er erzählt von den gefährlichen Reisen in das Ungewisse, bei denen viele ihre Familien zurücklassen mussten oder sie verloren – und davon, wie die Flüchtlinge oft nach etlichen Stationen in Flüchtlingslagern schließlich in Deutschland landeten. Die Zuschauer erfuhren auch, dass für die Meisten in Deutschland eine neue Odyssee durch die Bürokratie begann und viele selbst nach etlichen Jahren immer noch in ständiger Angst vor der Abschiebung leben.

Während Sanati und Mehmud letztendlich erfolgreich waren und sich hier mit ihren Familien einbürgern konnten, erzählen andere Flüchtlinge, unter anderem aus Afghanistan und Lybien, wie sie selbst nach 20 Jahren in Deutschland immer noch um ihre Aufenthaltsgenehmigung oder Anerkennung als Asylant kämpfen müssen. Eine junge Frau, die mit 16 Jahren aus Afghanistan floh, innerhalb von kürzester Zeit deutsch lernte, darum kämpfte nur zwei Stunden täglich arbeiten zu dürfen, später eine Vollzeitbeschäftigung hatte, erst nach acht Jahren ihre erste Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Alle drei Jahre erlebt sie wieder die Sorge, mit ihrem kleinen Sohn in die muslimische Heimat und damit in den sicheren Tod abgeschoben zu werden. „Ich bringe mich lieber um, bevor die das mit Steinen tun“, sagt sie ganz nüchtern in dem Film „Persona non data“.

Eine andere ältere Frau lebt mit einer großen Familie seit 20 Jahren „nur geduldet“ in einem Containerdorf, ein Afrikaner aus Lybien kam mit dem Boot über Lampedusa nach Deutschland und wird trotz italienischer „humanitärer Dokumente“ hier nicht anerkannt.

Erschreckend war auch die offene Darstellung von Heide Sanati, die sich unter dem Schah-Regime heimlich politisch engagierte und von ihrem eigenen Ehemann verraten wurde. Sie saß zwei Jahre im irakischen Gefängnis. „Dort wurde ich gefoltert und mehrfach vergewaltigt“, erzählt sie, immer noch sichtlich um Beherrschung bemüht.

Sanati und Mehmud berichten über ihr Schicksal als Interviewpartner vor der Kamera und standen nach dem Film dem Boostedter Publikum für Fragen zur Verfügung.

„Ich bin tief betroffen“, gestand die Vorsitzende des Seniorenbeirats, Hannelore Rathmann. Sie war nicht die einzige, die ihre Erschütterung über das Gesehene zum Ausdruck brachte: „Was können wir für die Menschen in der kurzen Zeit, die sie hier in Boostedt sind, tun?“ „Was raten sie uns, wie wir mit den traumatisierten Flüchtlingen umgehen können?“ waren einige der Fragen an die Gäste. Heide Sanati arbeitet heute für und mit Flüchtlingen und versucht vor allem den Frauen „Mut zu machen“, erklärte sie. Sie appellierte, sich nicht von den Menschen, die hier ankommen, abzuwenden, sondern mit ihnen zu reden.

Abdullah Mehmud arbeitet unter anderem als Dolmetscher. Sein Appell: „Haben sie keine Angst vor den Flüchtlingen, sondern lernen sie erst die Menschen und ihre Geschichte kennen.“ Für die Zukunft wünschten sich beide weniger langwierige Asyl-Verfahren und mehr Anerkennung für die Situation der Betroffenen.

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